Verbindungen VIII – 1955

1955 kommt Nicolas Sarkozy in Paris zur Welt. Sein 1928 geborener Vater war aus Ungarn immigriert.
Sartre hat den Bruch mit Albert Camus, den Besuch bei Martin Heidegger (beides 1952) und seine erste Reise in die Sowjetunion hinter sich, verspricht Henri Cartier-Bresson ein Vorwort zu dessen Buch »D’une Chine à l’autre« und reist mit Castor nach China, wo er auch Mao Tse-tung begrüßt. Cohen-Solal: »Das chinesische Volk, die chinesischen Massen verkörperten 1955 für ihn den positiven Helden schlechthin, den Hoffnungsträger aller Revolutionäre der Welt.« … Castor widmete den vier chinesischen Wochen ein ganzes Buch, »La longue marche«. Sartres »Nekrassov« wird uraufgeführt, eine Kritik antikom-munistischer Thesen der französischen Presse.

Theodor Adorno ist (seit seiner Rückkerh aus den USA1949) als Universitätslehrer für Phi-losophie und Soziologie und als Direktor des Frankfurter Instituts für Sozialforschung be-schäftigt. 1951 ist die in der Emigration geschriebene Sammlung von Aphorismen »Mini-ma Moralia«, die er Max Horkheimer widmet, erschienen.

Seit seiner Promotion in Bonn im Vorjahr mit einer Arbeit über »Das Absolute und die Ge-schichte. Von der Zwiespältigkeit in Schellings Denken« betätigt sich Jürgen Habermas 1955 als freier Journalist für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den Merkur, die Frank-furter Hefte und das Düsseldorfer Handelsblatt. Ein Stipendium wird ihn 1956 nach Frankfurt ans Institut für Sozialforschung bringen. In der Zeit als Forschungsassistent bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno wird er sich mit den (zum Teil unter Ver-schluss gehaltenen) Schriften seiner beiden Direktoren und anderer Vertreter der Kriti-schen Theorie aus der Vorkriegszeit vertraut machen. In besonderem Maße wird er von Herbert Marcuse beeinflusst werden, dem er erstmals 1956 begegnen wird.

Seit 1951 ist Max Horkheimer Rektor der Universität Frankfurt.

Als Hauptwerk der Frankfurter Schule, einer Gruppe neomarxistischer Wissenschaftler, die die im Frankfurter Institut für Sozialforschung erarbeitete Kritische Theorie vertreten, gilt die von Horkheimer und Theodor W. Adorno 1944 bis 1947 gemeinsam verfasste Es-say-Sammlung »Dialektik der Aufklärung«. In der Kritischen Theorie geht es um die ideo-logiekritische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und historischen Bedingun-gen der Theoriebildung.

Herbert Marcuse hat seit einem Jahr seine erste Professur für Philosophie und Politikwis-senschaft an der Brandeis University in Waltham (Massachusetts) inne.

In diesem Jahr kommen in Idar-Oberstein Bruce Willis und ich auf die Welt, die Bundes-wehr wird gegründet und die ersten 600 Spätheimkehrer der »letzten 10.000« Kriegsge-fangenen aus der Sowjetunion treffen in Friedland ein. Prinz Norodom Sihanouk wird Ministerpräsident in Kambodscha und erklärt »immerwährende Neutralität«, Winston Churchill tritt aus gesundheitlichen Gründen als Premierminister von Großbritannien zu-rück, und die Saarländer lehnen bei einer Wahlbeteiligung von 96,6% das Saarstatut ab und wollen zurück nach Deutschland. Rosa Parks wird in Montgomery, Alabama USA verhaftet, weil sich die Afro-Amerikanerin weigert, ihren Sitzplatz im Bus für einen männ-lichen weißen Fahrgast zu räumen.
Der erste Nachkriegsflug der Lufthansa findet statt, das erste europäische Überschallflug-zeug absolviert seinen Jungfernflug. In England geht die erste Atomuhr in Betrieb, und für das europäische Kernforschungszentrum CERN wird der Grundstein gelegt. Die erste Do-cumenta findet in Kassel statt, und mit »Mainz wie es singt und lacht« flimmert die erste Karnevalssitzung über die bundesdeutschen Bildschirme, der erste künstliche Diamant wird hergestellt, und Glenn Gould spielt zum ersten Mal seine Goldberg-Variationen ein. Beim schwersten Unfall in der Geschichte des Motorsports sterben in LeMans 82 Men-schen, als ein Mercedes Silberpfeil inmitten der Zuschauer explodiert.

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